MUTIK KreativCamp Essen

Auf nach Essen! Ins „Revier“, wo in aufwendig renovierten, ehemaligen Industrieanlagen neue Formate kultureller Bildung und Weiterbildung erprobt werden. In das Bundesland NRW, das so viele außergewöhnliche Kulturprogramme fördert. Das mit der Zukunftsakademie NRW (mit der Mercator Stiftung an Bord, ebenso wie bei MUTIK s.unten) ein rühriges Organ in der Förderung und Vernetzung kultureller Bildung beheimatet http://www.zaknrw.de/ Kunst, Kultur und kulturelle Bildung satt.

Alles beginnt mit einer Einladung. Wenn man sich in der kulturellen Bildung auf den Weg gemacht hat, gibt es allerorten interessante Kongresse, spannende Tagungen, Netzwerktreffen etc. Hier erkenne ich eine positive Kehrseite der prekären monetären Verhältnisse in der KB, denn die meisten tollen Angebote sind kostenlos oder man*frau kann zu sehr geringem Obulus teilnehmen. Die Intention ist einleuchtend, es geht hier darum, die Akteure*innen in der KB zusammenzubringen und zu vernetzen, um so neue Synergien zu schaffen. Hier treffen alte Hasen auf Einsteiger*innen, es vernetzt sich alt und jung und immer öfter findet man auch Protagonisten*innen, um die es in der KB geht, die Schüler*innen. Zielgruppe zum Anfassen!

Ich habe mich entschieden, am KreativCamp von MUTIK www.mutik.org teilzunehmen, einer Partnergesellschaft der Stiftung Mercator, ausgestattet mit Visionen („Alle Kinder sollen in Deutschland Kunst und Kultur erfahren. Mutik entwickelt Projekte und fördert Partner*innen, um dieses Ziel zu erreichen„) und mit Geld. Obwohl mein Terminplan mehr als dicht gedrängt ist, überzeugen mich doch die professionell gestaltete Einladung und das interessante workshop-Angebot, mich auf den Weg nach Essen zu machen. Außerdem ist es mir wichtig, zusätzlich zu dem theoretischen Input, den wir ja intensiv im Studium bekommen, den praktischen Bezug nicht zu verlieren und die Wirkung kultureller Bildung immer wieder auch am eigenen Leib zu erfahren. Denn nur wenn die Flamme der Leidenschaft für kulturelle Bildung in mir selbst weiter brennt, kann ich mich dafür einsetzen, diese auch anderen zukommen zu lassen. Selbsterfahrung ist für mich daher ein ganz zentraler Teil meiner eigenen Aus- und Weiterbildung.

Mein Wunschworkshop ist schon ausgebucht, als ich ankomme, kurzer Ärger über die Orga, dann aber denke ich, „drauf einlassen–es wird schon genau das Richtige sein“. Schließlich will ich ja auch ab und zu meine Komfortzone verlassen und ein workshop, auf den ich mich nicht eingestellt habe, hat ein bisschen was davon.

Ich habe dann mich für Querklang von Kerstin Wiehe http://www.querklang.eu entschieden, einem Musikworkshop zum Thema Klangkomposition aus einfachen Materialien, der über beide Camp-Tage geht. Wir sind eine bunt gemischte Gruppe mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen und Interessen und Vielfalt erweist sich in der kulturellen Bildung ja immer als besonders bereichernd.

Kerstin arbeitet mit  Querklang: experimentelles Komponieren in der Schule an allen Schulformen und Jahrgängen von der ersten bis zur zwölften Klasse. Querklang gibt es seit 2003 und seitdem haben sich, angeleitet und begleitet von Komponist*innen, Musiklehrer*innen und Musikstudent*innen der Universität der Künste, über 800 Berliner Schüler*innen im Rahmen ihres Musikunterrichts (also im regulären Schulunterricht) mit der Gestaltung experimenteller, musischer Prozesse beschäftigt. Die Schüler*innen erleben sich selbst als Komponist*innen, die –außerhalb des Kriteriums von „schöner“ und „hässlicher“ Musik– musikalische Prozesse erfinden, beurteilen, modifizieren und schließlich gemeinsam öffentlich aufführen. Obwohl anerkannt und beliebt, ist die Frage der Finanzierung auch in diesem Projekt eine neverending story.

Das Konzept von Querklang ist ebenso einfach wie effektiv wie genial. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde steigt Kerstin mit uns gleich in die Arbeit ein: Wir erleben den workshop so, wie sie ihn auch an Schulen in Berlin durchführt. Wir sind Gruppen zu viert oder fünft, und wir beginnen mit dem Erzeugen von Geräuschen. Kerstin hat einfache Instrumente aus Alltagsgegenständen mitgebracht, und wir gehen ziemlich schnell zum Komponieren unseres ersten Stückes über.

Als nächsten Schritt verlagern wir uns nach draußen, in das weitläufige Gelände rund um den PACT Zollverein und suchen dort einen Ort, an dem wir unsere Komposition an großen „Instrumenten“ (Instrument heißt alles, was klingen könnte, nichts ist zu groß oder zu klein) umsetzen können. Es ist erstaunlich, wie schnell eine Komposition zustande kommt und wie wahnsinnig viel Spaß das macht. Am ersten Tag sind auch Schüler*innen einer Gesamtschule in Kassel mit ihrer Lehrerin dabei, auch wenn sie zuerst sichtbar fremdeln, lassen sie sich bald auf die gemeinsame Arbeit ein und beteiligen sich zunehmend aktiv. Wichtig auch, dass wir uns gegenseitig die entstandenen Kompositionen vorführen, denn Aufführen ist ein wesentlicher Teil des Prozesses. Kerstin erzählt uns von ihren Projekten in den Schulen, wie sehr die Schüler*innen auf die Aufführung hinarbeiten und die gelungene Aufführung als Bestätigung ihrer Arbeit erleben.

Eine Erwähnung verdienen die Pausen. In enspanntem Ambiente ist für das leibliche Wohl bestens gesorgt. Hier kommen auch Menschen mit Unverträglichkeiten oder Allergien auf ihre Kosten. Vegetarisch, gesund und lecker. Ein Träumchen!

Am nächsten Tag geht es nochmal für uns in die Vollen. Das gemeinsame Ziel von Kerstin und uns ist es, die verschiedenen Kompositionen vom ersten Tag zu einer großen Komposition zusammenzuführen und in der Abschlußrunde des Camps zur Uraufführung zu bringen, als Überraschung für die anderen Camp-teilnehmer*innen. Wir sind mittlerweile ein eingespieltes Team, auch wenn einige von uns am zweiten Tag leider nicht mehr dabei sind. Jetzt zeigen wir, was und vor allem wie schnell wir es können. Aus den Kompositionen der einzelnen Gruppen wird eine Gesamtkomposition zusammengestellt, mit den Highlights und den performativen Elementen der einzelnen Stücke. Wir bespielen die gesamte Halle in der die Abschlussrunde rund um das „campfire“ stattfindet. Kurze Probe vor der Mittagspause und dann ist es soweit. In so kurzer Zeit konnten wir so viel auf die Beine stellen.

Das Spannende vor einer einer Aufführung ist es, besonders wenn man in einer Gruppe agiert, dass der Wunsch, zu zeigen, was man entwickelt hat, größer ist als das Lampenfieber. Meine These wäre hierzu, je freier der Prozess bis zum Zeitpunkt gelaufen ist und je mehr die Teilnehmer*innen diesen Prozess selbst gestaltet haben, desto größer ist die Freude und der Erkenntnisgewinn, respektive der Gewinn für das Selbstbewusstsein, den Respekt vor der eigenen „Leistung“. Es zählt nicht mehr in erster Linie, was die anderen von einem denken, sondern die Erfahrung, die gemacht wurde. Und die kann einem niemand nehmen, weder als Einzelne*r noch als Gruppe. Das ist der größtmögliche Gewinn, der aus einem Format der kulturellen Bildung zu erzielen ist.

Wer noch „tiefere Einblicke“ nehmen möchte, hier der Film von MUTIK über das KreativCamp in Essen, da ist auch eine Minisequenz der Abschlussaufführung dabei.

http://www.youtube.com/watch?v=OgzPlTXfdVs

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